12. Ein Jahr ist es her

In der Kursausschreibung wurde uns für Januar ein weiterer Theorieabend in Aussicht gestellt. Nun war es halt März geworden. Aber egal. Wir brannten darauf, zu erfahren, was sich in den Tanks und Fässern so tut und wann der Wein in Flaschen abgefüllt werden wird.

Die Einladung zum winterlichen Theorieabend erfolgte diesmal weit im Voraus – wenn unser Erscheinen nicht vom Wetter abhängig gemacht werden muss, liegt eine angemessene Planung scheinbar drin.

Auf dem Programm standen

  • das Nachholen der verpassten Diashow. Aufmerksame Leser erinnern sich: Der widerspenstige Diaprojektor hatte im Frühjahr seinen Geist aufgegeben. Ersatzteile sind für postmoderne Geräte aus dem letzten Jahrtausend bekanntermassen schwierig zu finden. Doch nun durften wir uns auf einen Diavortrag, wie ihn unsere Vorfahren öfters abzuhalten pflegten, freuen;
  • das Aufrüsten, respektive Auffrischen unseres theoretischen Wissens;
  • das Verkosten der (noch unfertigen) 2015er-Jahrgänge;
  • ein Wissenstest, um unsere Fachkenntnisse unter Beweis zu stellen. Gedacht als Feedback für unseren Lehrmeister. So kann er jeweils feststellen, was und wie viel seine Adepten vom Gelernten ins Langzeitgedächtnis zu retten vermögen.

Eigentlich schade, ist dieser Kurs bald zu Ende.Eigentlich schade, ist dieser Kurs bald zu Ende. (Foto by: ivoha13 / fotolia.com)

Natürlich mussten wir zunächst einen gestrengen Blick über den Rebberg schweifen lassen und schauen, ob unsere Nachfolger die Reben auch richtig geschnitten hatten. Der neue Kurs hatte ja im Februar begonnen. Schien alles okay zu sein.

Es hatte sich gelohnt, auf das Nachholen der Diashow zu beharren. Es war schlicht erheiternd. Die Fotos waren teilweise über dreissigjährig. Lustig, einen Einblick in die „damalige Moderne“ (Frisuren, Mode, Automodelle) zu erhalten und interessant zu sehen, wie eine, zwei Generationen vor uns Weinbau betrieben.

Der theoretische Teil bestand hauptsächlich aus Wiederholungen des bereits Gelernten: Arbeiten an der Rebe, Probleme mit Schädlingen, Düngung, Frostschutz, richtiger oder falscher Mehltau und vieles mehr. Dank unseres kleinen Erlebnisblogs hier, haben wir alles für die Ewigkeit festgehalten und können das Gehörte jederzeit haarklein nachlesen.

Danach ging’s zum gemütlichen Teil über. Wir bekamen eine erste Kostprobe der Weine vom letzten Jahr. Allgemein: Die 2015er enthalten dank des heissen Sommers viel Alkohol. Der Riesling Silvaner überraschte uns trotz jugendlichen Alters mit einer guten Balance zwischen Frucht und Säure. Der Bianca hingegen erschien uns unfertig. Der Kerner wiederum war etwas süss ausgefallen, was nicht alle Weinliebhaber goutieren werden. Schiller ist eine Kombination aus Riesling Silvaner und Blauburgunder aus derselben Parzelle. Beide Traubensorten müssen gleichentags abgelesen werden, obwohl diese zu unterschiedlichen Zeiten reif sind.

Den Zeitpunkt für die Lese zu bestimmen, wird da zur Herausforderung. Die grosse Frage ist jeweils, was dominieren wird: Frucht oder Säure. Nun, dieser Schiller war noch sehr jung; uns fehlte auch die Erfahrung, um ihn bereits jetzt beurteilen zu können. Für die Verkostung unseres Pinots sei es noch zu früh, meinte der Winzer. Er kratze gehörig und sei noch sehr tanninhaltig. Er sei in der Phase der zweiten Gärung und entwickle sich prächtig. Jedoch lagere nur ein Teil der sechs Tonnen Pinotrauben im Barrique; der Rest reife in Stahltanks heran.

Bei der zweiten Gärung erfolgt der Säureabbau und werden Gerbstoffe ausgeschieden. Diese mehrmonatige Phase ist wichtig, damit der Wein zu seinem Gleichgewicht findet. Mit der richtigen Temperatur, dem optimalen Verhältnis von Hefe und Schwefel wird der Wein feingetunt und regelmässig degustiert, um dessen Reifung zu verfolgen. Denn vor dem Abfüllen muss der Rebensaft wirklich bereit sein. Und dann muss es schnell gehen. Unser Pinot wird vermutlich im Juli in Flaschen „gehüllt“.

Bis dahin haben wir die schöpferische Aufgabe, für die uns zustehenden Flaschen eine Weinetikette zu designen. Unser munteres Winzertrüppchen wird sich also in den nächsten Wochen treffen und der Kreativität freien Lauf lassen, um eine gediegene Etikette entwerfen. Der grosszügig bemessene Imbiss und der nimmer versiegende Wein trugen viel zu dem äusserst unterhaltsamen Abend bei. Einzig der Kopf beklagte sich am nächsten Morgen.

Eigentlich schade, ist dieser Kurs bald zu Ende.


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