4. Start der Laubarbeiten

Wer einen Gemüse- und Obstgarten sein eigen nennt, kennt das. Dauernd stiefelt man zwischen den Beeten umher und guckt, wie sich die Pflanzen entwickeln. Man sammelt Schnecken zusammen, entfernt Unkraut, lockert die Erde und beobachtet mit Argusaugen und gespannter Vorfreude auf die Ernte das Wachstum. Mit den uns anvertrauten Rebstöcken ist genau das leider nicht möglich. Denn für einen täglichen Kontrollgang liegen sie zu weit entfernt. Immerhin wissen wir unsere „Schützlinge“ beim Winzer in guten Händen.

Was macht das Wetter?

Dennoch, wenn immer sich wettermässig was tut – und das tut es ja täglich – wandern unsere Gedanken zu unseren Rebstöcken, und wir fragen uns, welchen Einfluss das aktuelle Klima auf das Gedeihen unserer Traubenstöcke wohl habe. Nach den zum Teil sintflutartigen Regenfällen der vergangenen Wochen hofften wir natürlich, die Reben seien „waterproof“ und nicht im vielen Nass ertrunken.

Danach war es ja sehr schnell sehr heiss geworden – die Wärme kombiniert mit der Nässe musste bei den Reben also einen veritablen Wachstumsschub ausgelöst haben. Das würde bedeuten, dass die ersten Laubarbeiten bald fällig würden. Zwar mussten wir unter den gegebenen Witterungsverhältnissen jeden Tag mit einem Marschbefehl fürs Ausbrechen der Triebe rechnen. Trotzdem kam er wiederum äusserst kurzfristig. Muttertagsonntag erreichte uns die E-Mail, dass man an einem der folgenden drei Tage die ersten Laubarbeiten vorzunehmen hätte. Unsere kleine Winzertruppe musste bereits die ersten Absenzen verkraften, da die für die Arbeiten vorgesehenen Tage bereits unverrückbar verplant waren. Doch das war kein Problem. Weshalb sonst hätten wir uns zu einer informellen „IG Weinbaulehrgang“ zusammengeschlossen, wenn nicht, um solche Fälle abzudecken?

Das regelmässige Auslauben sei machtentscheidend für die gute Qualität des Weins.Das regelmässige Auslauben sei machtentscheidend für die gute Qualität des Weins. (Foto by: Corinna Schneider)

Das Ziel: kräftige Triebe

In der Tat, die Reben hatten kräftig Triebe und Laub gebildet. Da hiess es radikal Hand anlegen und alles Überzählige wegschneiden und ausbrechen. Es benötigte Überzeugungsarbeit und gutes Zureden vom Fachmann, damit wir seine brachiale Vorgehensweise übernahmen. Alles, was da so munter in die Welt hinausschoss, galt es, rigoros zurückzustutzen: doppelte Triebe und Augen entfernen, weg mit den überflüssigen Reserven, Haupttrieb konsequent auf sechs starke Triebe reduzieren, in Bodennähe alle unnötigen Triebe am alten Holz entfernen.

Das regelmässige Auslauben sei matchentscheidend für die gute Qualität des Weins. Denn so kanalisiere man die Kraft der Pflanze in die potentesten Triebe und verteile sie nicht auf unnötig viele Äste, die dann doch nicht richtig zu gedeihen vermögen. Dieses Argument überzeugte uns natürlich, sodass wir nach Anfangshemmungen flott in den Arbeitsrhythmus fanden und unsere Reihen nach rund zwei Stunden wieder tipptopp gepflegt aussahen. Und wie immer wurden wir zur Belohnung nach getaner Arbeit mit einem erfrischenden Glas Weisswein verwöhnt.

Alles, was da so munter in die Welt hinausschoss, galt es, rigoros zurückzustutzen.Alles, was da so munter in die Welt hinausschoss, galt es, rigoros zurückzustutzen. (Foto by: Corinna Schneider)

Von Rehen und Ungeziefer

Ein bisschen theoretische Wissenserweiterung wurde uns an diesem Abend ebenfalls zuteil. Anschauungsunterricht ermöglicht uns unter anderem eine neu angelegte Weinparzelle eines benachbarten Weinbauern. Wir können nun Mal für Mal schauen, was sich auf dem vor wenigen Wochen noch brachliegenden Feld so tut. Mittlerweile hat der Winzerkollege Pflöcke in den Boden gerammt und junge Rebstöcke dazu gesetzt. Maschinell und nicht von Hand, wie man das früher gemacht hätte, berichtete uns der Fachmann. So sei auch die geometrische Ausrichtung der Rebstöcke nicht mehr so schön. Es gibt also noch Maschinen, die weniger exakt arbeiten als der Mensch; eine beruhigende Erkenntnis.

Wichtig ist auch, die Rebbergschädlinge im Auge zu halten. Im Moment ist der einbindige Traubenwickler aktuell. Bei seinem ersten Flug sei der aber noch kein Problem für die Reben. Dessen zweite Generation, der Sauerwurm, befällt namentlich im Juli und August die noch sauren Trauben und verdirbt sie. Deshalb sammelt unser Winzer die Falter mittels Klebefallen (Bild), zählt und vermisst sie und schickt die Erhebungen an die Fachschule in Wädenswil. Diese wertet die Daten aus und gibt den Winzern je nach Region Empfehlungen ab, wie gegen die Schädlinge vorzugehen sei.

Der Winzer sammelt Falter mittels Klebefalle.Der Winzer sammelt Falter mittels Klebefalle. (Foto by: Corinna Schneider)

Doch die witzigste Erkenntnis des Abends: Offensichtlich sind auch Rehe Geniesser. So muss man Weingärten mit Muskateller-Stöcken einzäunen. Denn Rehe lieben Muscat (andere Rebensorten verschmähen sie) und laben sich mit Genuss sowohl an Trieben wie auch an den Trauben. Wirklich – guten Geschmack haben sie! Während der letzten Wochen hat der Weinbauer wieder einige Arbeiten für uns erledigt: das Gras in den Gassen gemäht, eine Schwarzfleckenspritzung vorgenommen und den Herbizidstreifen unter dem Stock abgebrannt. Sind die Triebe wieder etwa 30 cm gewachsen, müssen sie erneut gespritzt werden. Bald werden wir bestimmt wieder zum Auslauben unserer Stöcke angebeamt. Wir freuen uns darauf.


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