9. Eine geballte Ladung Theorie

Theorieabend und Rebbergbegehung sind im „Lehrplan“ unseres Hobbylehrgangs fix gesetzt – aber jeweils erst kurz vor der Weinlese. Da die meisten von uns während der Ruhe vor dem Sturm noch ein paar Tage Ferien geniessen wollten, hatten wir diesen Teil des Kurses vorgezogen. Theoretisches Wissen kann man sich schliesslich jederzeit aneignen – und ist dabei erst noch völlig vom Wetter unabhängig.

Wie zur Demonstration für diese Wetterunabhängigkeit öffnete der Himmel an besagtem Theorieabend seine Schleusen. In diesem Sommer hatte es kaum je derart geschüttet. Für die Reben war das zwar ein hochwillkommener Segen, vor allem weil auf Ende Woche ja bereits wieder sommerliche Temperaturen und eitel Sonnenschein angesagt waren. Es wird unseren Trauben einen weiteren Wachstums- und vor allem Reifeschub bescheren. Wir hingegen sahen auf unserer Besichtigungstour hauptsächlich die Schirme der übrigen Kursteilnehmer. Allesamt Prachtexemplare, in der Tat. Und ja, wir wissen mittlerweile recht gut, wie unsere Reben aussehen.

9. Eine geballte Ladung Theorie

Es hätte dennoch so vieles von Interesse gegeben, das man genauer unter die Lupe hätte nehmen können: den Rebstockaufbau der benachbarten Winzer, das Gedeihen der neuen Parzelle, von der wir an dieser Stelle schon berichtet haben, die direkte Illustration der Vor- und Nachteile vom Stickelbau oder dem Einhagen ganzer Parzellen, die Rebstöcke der Schillerweine, die aus blauen und weissen Trauben aus derselben Parzelle bestehen und gleichzeitig geerntet werden müssen - und vieles mehr. So hakten wir diesen Teil im Eilzugstempo ab, bevor uns Schwimmhäute zwischen den Fingern wuchsen. In der trockenen Scheune bekamen wir dennoch eine geballte Ladung Theorie verpasst, sodass uns bald einmal der Kopf brummte. Bestimmt war nicht allein der Wein, der uns durch den Abend begleitete, Schuld daran.

So erfuhren wir – es war selbst für uns Laien unschwer nachvollziehbar – dass wir bis jetzt einen hervorragenden Weinsommer gehabt hätten. Sollte es im September nicht „dauerregnen“, dürfte die Ernte gut ausfallen. Durch das heisse Hochsommerwetter werde die Weinlese früher anstehen als sonst. Die ersten Weissweintrauben werde man bereits in etwa zwei Wochen ablesen. Deshalb habe unser Weinbauer seine Fässer und Tanks nun geleert und in Flaschen abgefüllt, damit es Platz für den 2015er gäbe. Wir erfuhren, dass Kupfer die Beerenhaut resistenter mache und die letzte Kupferspritzung in diesen Tagen fällig gewesen sei. Falscher Mehltau sei dank der grossen Hitze in diesem Jahr kaum ein Problem gewesen. Auch halte sich der einbindige Traubenwickler in kontrollierbaren Mengen.

9. Eine geballte Ladung Theorie

Raubmilben gälten als Nützlinge und würden gerne für die ökologische Schädlingsbekämpfung – beispielsweise gegen die Rote Spinne oder gegen andere, schädliche Milben – eingesetzt. Problematisch sei der Klimawandel auch für den Weinbau. Der Raubmilbe sei es hier mittlerweile zu warm; sie werde bei den steigenden Temperaturen auf die Dauer nicht überleben können. Dafür drohten neue Schädlinge aus dem Mittelmeerraum, die bei uns nun ideale klimatische Bedingungen für sich vorfänden. Es empfehle sich, bezüglich Spritzung auf Gesamtspritzprogramme eines einzelnen Anbieters zu setzen, denn die Mittel seien aufeinander abgestimmt. Problematisch sei, dass die Schädlinge mit der Zeit „pflanzenschutzresistent“ würden – da keine höheren Dossierungen zugelassen seien, nehme die Wirkung mit der Zeit ab. Für die integrierte Weinproduktion würden alle zehn Jahre Bodenproben genommen. Diese würden analysiert und aufgrund der Resultate komplexe, für Laien kaum nachvollziehbare, Düngpläne festgelegt.

Soviel zur Theorie – die hier fast so unstrukturiert zusammengefasst daherkommt, wie sie uns vermittelt wurde. Zum Glück werden wir nach diesem Kurs – der hauptsächlich auf die praktische Arbeit fokussiert - nicht vom Weinbau leben müssen.

Dem Regen zum Opfer fiel leider auch die „100-Beeren-Probe“, die nun regelmässig alle 10 bis 14 Tage vorgenommen wird. Hier misst man den Zuckergehalt in den Trauben, was hilft, den Zeitpunkt für den Start der Weinlese zu bestimmten. Wichtig ist, dass man für die Probenahme einen guten Durchschnitt erreicht: Deshalb werden 100 Beeren gut verteilt aus einer Parzelle abgelesen und zerstampft. Danach füllt man ein paar Teelöffel des Saftes in den Refraktometer, um den Zuckergehalt abzulesen.

9. Eine geballte Ladung Theorie

Keiner von uns hatte Lust, für die Probe im strömenden Regen 100 quer über eine Parzelle verteilte Trauben abzuschneiden. Deshalb begnügten wir uns mit Trauben von lediglich zwei verschiedenen Stöcken. Das Resultat der Probe konnte man zwar nicht gebrauchen, als Anschauungsunterricht reichte das Vorgehen aber allemal.

Zum Schluss des informativen Abends wurde uns nahegelegt, bald einmal vorbeizuschauen, um die in die Gassen hängenden Triebe abzuschneiden, die Dolden noch einmal weiter freizulegen und – wo nötig – Geize wegzukappen. Keine grosse Sache, aber – wie eigentlich alles - für unseren Rebensaft entscheidend! Aye aye Sir! Wird gemacht.


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