Die Schokolade erobert die Schweiz
Eigentlich ist nicht sofort ersichtlich, weshalb die Schweiz sich zu einem der wichtigsten Schokoladenhersteller der Welt entwickelte: Kakaobohnen gehören bekanntlich nicht zu den Rohstoffen unseres Landes. Zucker und Kakao mussten einst teuer im Ausland eingekauft werden.
Im 17. Jahrhundert, als die Kakaobohne in Europa eingeführt wurde, waren es Länder wie Italien,Spanien, später auch Frankreich und Belgien, die erfolgreich Trinkschokoladen herstellten. Heisser Kakao galt einst als Luxusgetränk europäischer Adelshäuser.
Da sich die Schweiz weitgehend aus deren Einflussbereich raushalten konnte, erstaunt es nicht, dass die Herstellung von Schokolade hier zunächst kaum Fuss fasste. Dennoch gelangten im 18. Jahrhundert Kakaobohnen über Frankreich und Italien in unser Land. Zahlreiche Confiseure, namentlich aus dem Tessin und der welschen Schweiz, zog es während ihrer Wanderjahre in die Zentren der Schokoladenherstellung: nach Mailand, Venedig, Nizza oder Paris.
So brachten sie Know-how zurück in die Heimat, wo sie mit Pioniergeist und Kreativität an eigenen Kreationen tüftelten. Bezeichnenderweise befinden sich die ersten und wichtigsten Schokoladenfirmen der Schweiz allesamt in der West- oder Südschweiz.
Die Schweizer Schokolade erobert die Welt
Der grosse Durchbruch der Schweizer Schokolade erfolgte 1875 mit der Erfindung der Milchschokolade. Vater dieser bahnbrechenden Neuheit war Daniel Peter, der als Schwiegersohn von F. L. Cailler 1867 in Vevey das Unternehmen Peter Cailler gründete. Ihm gelang es, in einem speziellen Verfahren, Kakao mit Kondensmilch zu mischen und so die erste zart schmelzende Schokolade zu kreieren.
Der Erfolg war derart grandios, dass in der Folge die gesamte Schweizer Schokoladenbranche Peters Herstellungsverfahren übernahm. Mit dem Beifügen von Schweizer Alpenmilch liess sich das Produkt denn auch ländertypisch vermarkten, wofür Nestlé ab 1904 verantwortlich zeichnete.
Somit war der Grundstein gelegt, dass die Schweizer Schokolade ihren Siegeszug durch die Welt antreten konnte.
Gründe für den Erfolg
Diese Entwicklung allein machte aus unserem Land jedoch noch nicht das heutige Schokoladenparadies. Andere Länder hatten dieselben Voraussetzungen und eine längere Schokoladentradition. Dennoch wurden sie nicht durch ihre Schokolade berühmt. Es kann auch nicht bloss an der guten Alpenmilch liegen!
Vielmehr sind die Ursachen in den Schweizer Tugenden zu finden. Dazu gehören ausgeprägtes Qualitätsbewusstsein, Pioniergeist und die Erkenntnis, dass man als kleiner Player in einem grossen Markt immer ein bisschen besser sein muss als die Konkurrenz, um bestehen zu können.
Kam hinzu, dass sich der Schweizer Markt der Schokoladenhersteller Ende des 19. Jahrhundert rasant entwickelte und eine Reihe gut kapitalisierter Schokoladenunternehmen gegründet wurden. Dank des üppig vorhandenen Kapitals konnten wichtige Investitionen getätigt und die Produktion rationalisiert werden.
So war man in der Schweiz der Konkurrenz immer einen Schritt voraus und konnte sich gegen die ausländischen Mitbewerber langfristig durchsetzen.
Schweizer Schokoladenpioniere im Überblick
- François-Louis Cailler (1796-1852) erlernte sein Handwerk in Turin, eröffnete 1819 in Corsier-sur-Vevey eine Schokoladenmanufaktur und legte die Basis für die industrielle Herstellung von Schokolade.
- Philippe Suchard (1797-1884) gründete 1826 eine Schokoladenfabrik in Serrières. Seinen Pioniergeist holte er sich während eines Aufenthalts in den USA. Zurück in der Schweiz produzierte er nicht bloss Schokolade, sondern lancierte die Dampfschifffahrt auf dem Neuenburgersee.
- Charles-Amédée Kohler (1790-1874) war einst Kolonialwarenhändler, der sich später selbst an die Herstellung von Schokolade wagte. Seine bahnbrechendste Erfindung war die Nussschokolade. Kohler bildete in seinem Unternehmen bekannte Lehrlinge aus, unter anderem Rudolf Lindt oder Robert Frey.
- Daniel Peter (1836-1919) gründete 1867 in Vevey das Unternehmen Peter Cailler. Er gilt als Erfinder der Milchschokolade.
- Rudolf Sprüngli-Ammann (1816-1897) gründete die erste Schokoladenfabrik in der Deutschschweiz und tüftelte erfolgreich an einem Produktionsverfahren, das erlaubte, die Schokolade weiter zu verfeinern.
- Aquilino Maestrani (1814-1880) war Chocolatier aus Lugano, der sein Handwerk in der Lombardei und in Nürnberg erlernte. Er gründete 1850 eine Schokoladenfabrik in Luzern, die er später nach St. Gallen zügelte.
Schokoladentradition heute
Das Steckenpferd der Schweizer Schokolade war und ist die Milchschokolade. Französische, belgische oder italienische Schokolade, von der es allesamt erstklassige Sorten und klingende Marken gibt, ist traditionell dunkel oder zartbitter.
In den letzten Jahren hat die dunkle Schokolade auch hierzulande einen unglaublichen Boom erlebt. Man feierte den puren authentischen Geschmack, beschwor das archaische, ursprüngliche Geschmackserlebnis von hohen Kakaoanteilen und pröbelte kühn mit neuen schokoladigen Geschmacksnoten in rezenten Speisen. Ein neuer Schokoladenkult entstand.
Puristen verschmähen Milchschokolade als dekadente Süssigkeit für Otto Normalverbraucher.
Zwar ist die Milchschokolade noch immer Herrn und Frau Schweizers liebste Nascherei. Doch der Kult um die dunkle Schokolade ist nicht spurlos an den hiesigen Produzenten vorbeigegangen.
So wird das Angebot an dunkler Schokolade ständig grösser, variantenreicher, kreativer und exklusiver. Sodass, wer dunkle Schokolade liebt, nicht länger auf ausländische Konkurrenz ausweichen muss.
Köstliche Schokoladenrezepte finden Sie in unserer Rezeptkategorie für Schokoladen Rezepte.
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